02 Praktische Prävention – Stoffwechselkrankheiten

Liebe Patientinnen und Patienten,

In der letzten Ausgabe haben wir alle kostenlosen Präventionsmöglichkeiten betrachtet. Ein zentrales Beispiel für den Nutzen von Prävention war die Statistik, die zeigt, dass über 70% (1) der Todesfälle durch die häufigsten medizinischen Todesursachen – Herzinfarkt und Schlaganfall – vermeidbar gewesen wären (2). Ähnliches gilt auch für Krebs und andere Krankheiten (3). Heute wollen wir gemeinsam erforschen, was man tun kann, um nicht Teil dieser Statistik zu werden.

Der Nährboden für die häufigsten Todesursachen

Bei Betrachtung der häufigsten Todesursachen in Deutschland stehen Schlaganfälle und Herzinfarkte an erster Stelle, gefolgt von Krebserkrankungen. Psychischen Krankheiten und Verhaltensstörungen (einschließlich Demenz) sind kürzlich von Platz drei auf Platz vier gerutscht. Zusammen machten diese Erkrankungen im Jahr 2023 insgesamt 63 % aller Todesfälle aus. Alle drei Todesursachen haben eines gemeinsam: Ihr Risiko ist beim Vorliegen von Stoffwechselerkrankungen deutlich erhöht, insbesondere bei Diabetes Typ 2. Diabetes entsteht, wenn die produzierte Menge des Insulins im Körper nicht ausreicht, um den Blutzucker zu regulieren (Typ-1) oder wenn die Körperzellen nicht mehr ausreichend auf das vorhandene Insulin reagieren (Insulinresistenz, Typ-2). Weiterführende Informationen finden Sie hier (a), (b), (c), (d). Die bei Diabetes auftretenden hohen Blutzuckerspiegel führen nur selten direkt zum Tod. Vielmehr sind es die vielen Folgeerkrankungen, die Diabetes massiv begünstigt, insbesondere Herz-Kreislauferkrankungen. Dadurch hat Diabetes im Jahr 2023 maßgeblich zu etwa 649.000 Todesfällen in Deutschland beigetragen. Ein Diabetes kann die Lebenserwartung um etwa 14 Jahre verkürzen (5). Unser Ziel ist es, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes gänzlich zu vermeiden oder aber bestmöglich zu kontrollieren.

Wie sehr kann man dem “Normbereich” vertrauen?

Die schlechte Nachricht: Die Vorstufe von Diabetes, der Prädiabetes, ist deutlich unterdiagnostiziert. Neben den 5 Millionen diagnostizierten Diabetikern in Deutschland wird geschätzt, dass bis zu 20 Millionen Menschen eine noch unentdeckte Form von Prädiabetes haben (6). Häufig wird ein Blutzuckerwert, der „im oberen Normbereich“ liegt, beim Arztbesuch als unbedenklich eingestuft und dann nicht kontrolliert. Wir sind der Meinung, dass eine so gravierende Krankheit mehr Aufmerksamkeit erfordert. Die gute Nachricht:Wenn man erfährt, dass man zu den ca. 20 Millionen Menschen mit Prädiabetes gehört, lassen sich durch gezielte Maßnahmen die Blutwerte und die Stoffwechselgesundheit signifikant verbessern. Die Optionen reichen von Änderungen des Lebensstils bis hin zu Medikamenten. Eine vollständige Aufzählung aller Möglichkeiten würde den Rahmen dieser Übersicht sprengen und wäre nicht zielführend, da die Empfehlungen teilweise sehr individuell sind.

Verstehen wo man steht – Basisdiagnostik

  • Blutdruck
  • Nüchternplasmaglukose
  • Triglyzeride
Es ist wichtig, den eigenen Körper zu verstehen, um die begrenzte Energie auf die wichtigsten Gesundheitsprobleme fokussieren zu können. Doch wie erkennt man das Risiko, eine Stoffwechselkrankheit zu entwickeln? Obwohl Bauchumfang und Blutdruck hilfreiche Indikatoren sein können, sind sie oft unpräzise. Ein Bluttest gibt Aufschluss über wichtige Werte wie Triglyzeride und Glukose. Letzterer Wert gibt Auskunft über den Blutzuckerspiegel am Tag der Blutentnahme. Ein deutlich erhöhter Wert kann auf ein bestehendes Problem hinweisen. Beide Werte werden in einem gesetzlich kostenlosen Check-up erfasst und sind über eine Blutprobe messbar (7).
  • ➕ Vorteile: Der Glukosewert, zusammen mit anderen Parametern, bietet einen ersten Anhaltspunkt, um zu erkennen, ob möglicherweise ein gesundheitliches Problem vorliegt.
  • Nachteile: Der Glukosewert liefert nur minimale Informationen darüber, was zu dem möglicherweise erhöhten Blutzucker geführt hat. Zudem ist die Messung des Glukosespiegels recht aufwändig, da sie einen Arztbesuch erfordert. Das bedeutet auch, dass man außerhalb der Arztpraxis nicht leicht feststellen kann, ob sich kurzfristige Verbesserungen durch Lebensstiländerungen oder therapeutische Maßnahmen einstellen.

Verstehen wo man steht – Fortgeschrittene Diagnostik

  • HbA1c
  • CGM – kontinuierliche Glukose Messung
Wer herausfinden möchte, ob ein hoher Glukosewert über einen längeren Zeitraum bestand, sollte den HbA1c-Wert bestimmen lassen. Dieser Blutwert gibt den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 2–3 Monate an. Ein HbA1c-Wert zwischen 5,7% und 6,4% weist auf einen prädiabetischen Zustand hin, während ein Wert über 6,4% für einen Diabetes spricht (8). In unserer Praxis haben wir wiederholt beobachtet, dass Patienten mit einem HbA1c von >10% ihren Wert durch Lebensstiloptimierung so verbessern konnten, dass sie wieder unter 6,5% lagen, ohne auf Medikamente zurückgreifen zu müssen. Oft genügen 3–4 kleine, aber aufschlussreiche Lebensstilanpassungen, um den Wert nachhaltig zu senken.

Wie sehe ich, ob kleine Lebensstiländerungen etwas bringen?

Um solche Aha-Momente zu erleben, ist es wertvoll, in Echtzeit zu sehen, wie unser Verhalten den Blutzuckerspiegel beeinflusst. Hierfür ist ein kontinuierlicher Glukose-Sensor hilfreich, der mit einem Smartphone in Echtzeit kommuniziert und aufzeigt, wie bestimmte Verhaltensweisen den Blutzucker beeinflussen. Persönliches Beispiel 1: Ein unerwarteter Blutzuckersprung nach einem scheinbar harmlosen Salat beim Italiener, der viel Zucker im Dressing enthielt. Persönliches Beispiel 2: Die Erkenntnis, dass ein Dessert nach einer großen Mahlzeit weniger Auswirkungen hat als wenn es als Snack zwischendurch gegessen wird. Die fortgeschrittene Diagnostik, einschließlich des HbA1c-Tests und des kontinuierlichen Glukose-Monitorings (CGM), ist nicht im Rahmen eines kostenlosen Check-ups enthalten. Während private Krankenkassen diese Tests oft übernehmen und empfehlen, ist dies bei gesetzlichen Krankenkassen nicht der Fall. Weitere Informationen zu den Inhalten verschiedener Check-ups finden Sie hier. Wir erkennen den erheblichen Mehrwert eines kostenlosen Check-ups und eines CGMs – die Statistik spricht für sich. Da Diabetes das Risiko für schwerwiegende Todesursachen erhöht, ist er einer unser Hauptgegner. Darüber hinaus ist die Prävention von Stoffwechselerkrankungen, mit Diabetes als Endstadium, eine der wenigen verfügbaren Maßnahmen zur Vorbeugung von Demenz und Alzheimer (9). Wir hoffen diese Übersicht schafft etwas Transparenz bezüglich der Handlungsoptionen zum Thema Prävention! Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Praxis-Team

(1) Prävention – So können Sie dem Schlaganfall vorbeugen (no date). https://www.schlaganfall-hilfe.de/de/verstehen-vermeiden/risiken-erkennen-und-vermeiden/tipps-zur-vorsorge/allgemein.

(2) & (3) Todesursachen (no date). https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html.

(4) Ezkurdia, A., Ramírez, M.J. and Solas, M. (2023) ‚Metabolic syndrome as a risk factor for Alzheimer’s disease: A focus on insulin resistance,‘ International Journal of Molecular Sciences, 24(5), p. 4354. https://doi.org/10.3390/ijms24054354.

(5) Kaptoge, S. et al. (2023) ‚Life expectancy associated with different ages at diagnosis of type 2 diabetes in high-income countries: 23 million person-years of observation,‘ The Lancet Diabetes & Endocrinology, 11(10), pp. 731–742. https://doi.org/10.1016/s2213-8587(23)00223-1.

(6) Gesundheitskasse, A.-D. (2023) ‚Prädiabetes erkennen und Diabetes Typ 2 vorbeugen,‘ AOK – Die Gesundheitskasse, 5 May. https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/stoffwechsel/praediabetes-erkennen-und-diabetes-typ-2-vorbeugen/.

(7) Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) (no date) KBV – Gesundheitsuntersuchung Check-up. https://www.kbv.de/html/5540.php.

(8) Eyth, E. and Naik, R. (2023) Hemoglobin A1C. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK549816/.

(9) Ezkurdia, A., Ramírez, M.J. and Solas, M. (2023) ‚Metabolic syndrome as a risk factor for Alzheimer’s disease: A focus on insulin resistance,‘ International Journal of Molecular Sciences, 24(5), p. 4354. https://doi.org/10.3390/ijms24054354.

(a) Herzner, S. (2018) Was ist eigentlich Stoffwechsel? https://www.apotheken-umschau.de/gesund-bleiben/ernaehrung/was-ist-eigentlich-stoffwechsel-712119.html.

(b) Deutsches Zentrum für Individualisierte Prävention und Leistungsverbesserung DZIP GmbH (2021) Stoffwechselerkrankungen, Stoffwechselkrankheit, Stoffwechselstörung. https://www.dzip.de/krankheitsbilder/stoffwechselerkrankungen/.

(c) Stoffwechselkrankheiten verstehen und verhindern (2024). https://nachrichten.idw-online.de/2024/05/02/stoffwechselkrankheiten-verstehen-und-verhindern.

(d) Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 | BMG (no date). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/diabetes.